Sonntag, 3. Januar 2016

Mentales Training VI - Flow und Achtsamkeit

In manchen Spielen läuft es schlecht. Man ist tierisch unter Druck und fokussiert auf einige wenige Optionen, die einem der Gegner direkt wegnimmt. Mehr nimmt man nicht wahr. Später wird einem bewusst was man alles nicht gesehen hat.
Es gibt aber auch Spiele, in denen gelingt einem fast alles. Man ist "im Flow" und kann seine PS voll auf die Straße bringen.
In diesem Artikel werde ich einen Weg aufzeigen, wie man auf diesen Zustand hinarbeiten kann. Im Artikel  Mentales Training III - Mindset Teil 1 - Grundlagen wurde schon umrissen, welche Eigenschaften zum "Flow" gehören. Hier nochmal eine kurze Zusammenfassung:
  • Es gibt keine störenden Gedanken über Vergangenheit (z.B. missglückte Aktionen) oder Zukunft (z.B. gewinnen müssen).
  • Man ist in dem aktuellen Moment. Es laufen nur Gedanken ab, die zu dem aktuellen Spielgeschehen gehören.
  • Aktionen werden nicht bewertet. Sie werden nicht in Schubladen wie Glück oder Pech geschoben, sondern nur beobachtet.
  • Aus den Informationen, die wahrgenommen wurden, werden bewusst oder unbewusst zielführende Taktiken, die die eigenen Stärken sowie die Schwächen des Gegners ausnutzen.
  • Man hat die Übersicht über das Spiel. Es werden viele unterschiedliche Aspekte wahrgenommen.
  • Die eigenen Emotionen werden zielführend eingesetzt.
  • Die Technik funktioniert. Die Bewegungsausführung wird komplett von dem Unterbewusstsein gesteuert. Bewusst werden nur die Optionen und Zeitpunkte gewählt, die dann wie automatisch ausgeführt werden.
  • Man denkt und agiert flexibel angepasst an die Situation.
Der Weg, wie dieser Zustand erreicht werden kann, ist für jeden Spieler anders. Eine Möglichkeit daran zu arbeiten ist über Achtsamkeitstraining. Dieses umfasst im Kern den Grundgedanken der o.g. Liste.
Achtsamkeit (englisch: mindfulness) beschreibt allgemein den Fokus der Gedanken auf den aktuellen Moment zu legen und diesen dabei wahrzunehmen ohne ihn zu bewerten. Dabei ist bei der inneren Haltung wichtig, dass man dem aktuellen Moment mit Neugier entgegnet. Man muss seine Gefühle und sein Denken wahrnehmen und akzeptieren anstatt zu leugnen. Neue Erfahrungen müssen mit wohlwollen aufgenommen werden. Man darf nicht versuchen angenehme Erfahrungen festzuhalten oder unangenehme wegzuschieben. Man muss lernen seinen Fokus auf eine einzige Tätigkeit zu legen um diese voll und ganz zu erleben, intensives Monotasking also. Gleichzeitig bringt es wenig, sich zu sehr zu bemühen. Man muss Geduld haben, denn Veränderungen brauchen Zeit.
Der Grundgedanke, im aktuellen Moment zu leben, klingt trivial erfüllt. Aber in Wahrheit sind wir immer in Gedanken irgendwo, nur nicht im aktuellen Moment. Wir machen uns Gedanken über die Vergangenheit, in der Ereignisse geschehen sind, die uns belasten. Oder wir denken an die Zukunft. An Ereignisse die wir sehnsüchtig erwarten oder vor denen wir uns fürchten. Aber im aktuellen Moment verweilen wir selten. Und zudem überhäufen wir uns mit Informationen. Beim Essen läuft im Hintergrund der Fernsehr und wir unterhalten uns nebenbei. Aber mit unserer Aufmerksamkeit verfolgen wir keine der Tätigkeiten voll. Wir kriegen jeweils nur einen Teil mit. 
Wenn wir lernen, unsere Aufmerksamkeit bewusst auf nur eine Sache fokussieren zu können, dann können wir diese viel besser bewerkstelligen.
Achtsamkeit ist den Buddhistischen Lehren entnommen und wird mittlerweile in der westlichen Welt als Mittel für das geistige Wohl eingesetzt. Zum Beispiel wurde mit Achtsamkeitsbasierter Stressreduktion (englisch Mindfulness Based Stress Reduktion, kurz: MBSR) ein Programm geschaffen welches die Vorzüge wissenschaftlich untersucht und gleichzeitig mit einem 8-wöchigen Programm mit ca. einer Stunde Programm je Tag einen festen Rahmen für das Erlernen schafft.
Ein wichtiger Aspekt von Achtsamkeit ist Selbstempathie. Nur wer seinen eigenen Gemütszustand in dem aktuellen Moment gut einordnen kann, ist in der Lage die eignen Emotionen bewusst und zielführend einsetzen um das eigene Spiel zu verbessern. Das Einordnen der eigenen Emotionen geht mit einem gewissen Körpergefühl einher. Nur wenn man merk, dass man zum Beispiel seinen Stand am Tisch verändert hat kann man diesen korrigieren. Oder wenn man merkt, dass sein Arm verkrampft kann man diesen lockern.
Man muss sehr viel Zeit für Selbstreflektion und Disziplin investieren um die eigenen Denkstrukturen, die das Ergebnis eines jahrzehntelangen Prozesses sind, zu analysieren und zu verändern.
Man kann zum Beispiel damit anfangen, dass man sich bewusst seinem Essen widmet und versucht dieses maximal wahrzunehmen. Hierzu ein paar Leitfragen. Wichtig ist, dass man beim beantworten keinerlei Bewertung hinzufügt, sondern nur Beobachtet.
  • Wie sieht es aus?
  • Wie riecht es?
  • Wie fühlt es sich an, wenn wir es mit Messer und Gabel handhaben?
  • Welche Empfindungen löst der Kontakt mit dem Mund aus?
  • Welche Temperaturempfindungen haben wir?
  • Wie ist die Textur der Oberfläche?
  • Wie klingt es wenn wir kauen?
  • Wie verändert sich die Textur während wir kauen?
  • Wie entfaltet sich der Geschmack im Mund?
  • Wie fühlt sich das Schlucken an?
  • ...
Achtsamkeit hört sich einfach an, erfordert aber einiges an Disziplin um seine Denkweise dahingehend zu modifizieren. Mit der Zeit kann man seine Übungen auf immer neue Bereiche des Lebens ausweiten und somit lernen, beim Kickern fokussierter zu sein.
Man weiß nicht, was man alles nicht wahrnimmt. Jeder, der Fortschritte gemacht hat, wird vermeintlich bekannte Situationen komplett anders wahrnehmen und neu bewerten.  Das ganze wird gut von diesem Spruch zusammengefasst:
Vater: Mein Sohn, du schielst!
Sohn: Nein Vater, ich schiele nicht. Sonst würde ich da oben ja nicht zwei Monde sehen, sondern vier.
Quellen:
Timothy Gallwey- Inner Game of Tennis: In disem Buch wird der Grundgedanke etwas weniger spirituell beschrieben.
Über Achtsamkeit gibt es jede Menge anderer Literatur und im Internet ist auch einiges zu finden. Wer sich tiefergehend damit auseinandersetzen möchte, findet genug, zum Beispiel auch unter dem Stichpunkt Yoga.



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